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Morgenlektüre

Aktualisiert: 22. März 2023

In den letzten Wochen hat sich für bei uns ein neues Detail in unsere morgendliche Routine eingeschlichen, welches ich persönlich sehr begrüße. Konrads Morgen beginnt, neben einigem Krakele und dem teilweise dringend nötigen Wechsel von Windel und Kleidung, mittlerweile mit dem Studium der Tageszeitung. Also natürlich Konrads ganz persönlicher Zeitung. Zeitungen um genau zu sein. Dabei sitzt der kleine Mann ruhig und gemütlich in seinem Bett, meist noch eingemummelt in seinem Schlafsack (außer natürlich die Windel musste dringend gewechselt werden, ihr kennt das) und betrachtet aufmerksam und sehr ernst die Bilder in seinen Büchern.





An den Wochenenden kann mein Mann dieses Spektakel ebenfalls beobachten und bewundern. Die Art und Weise, wie unser Sohn dabei vorgeht erinnert ihn (also meinen Mann) extrem an seinen Großvater, also Konrads Ur-Großvater. Bevor die Demenz ihn seine lange und letzte Reise des Vergessens, der Wut und der absoluten Verständnislosigkeit hat antreten lassen, bestand des Großvaters Morgenroutine ebenfalls aus dem täglichen Studium der Tageszeitung. Mein Mann erinnert sich an viele Frühstücksmomente bei seinen Großeltern und an die Art und Weise wie sein Großvater die papiergebundenen Neuigkeiten des Tages zelebrierte. Aufwändig und raumgreifend wurde dabei die Zeitung ausgebreitet und umgeblättert. Widerspenstige Seiten wurden mit dem frisch angelegten Daumen zur Raison gebracht und etwaige Knicke oder Falten mit einem geübten Wisch glatt gestrichen. Der Ur-Opa war Zeit seines Lebens Anstreicher und glattwischen gehörte zu seinem Tagesgeschäft. So akkurat glatte Seiten sah man wohl nur selten. Die Titelseite wurde genau so aufmerksam gelesen wie die letzte Seite. Von Bedeutung war jeder Artikel und mit zunehmenden Alter auch die Todesanzeigen. Diese wurden studiert und kommentiert. Diesen traurigen Umstand verstand mein Mann damals noch nicht und auch das ständige und mit den Jahren ansteigende Erwähnen von unbekannten Namen nahm er einfach so hin, wie die Kommentierung von Eishockey- und Tennis-Ergebnissen. An das Kommentieren erinnert sich mein Mann besonders. Dieses musste nicht immer in Worten stattfinden. Im Gegenteil. Als Handwerker von Stand gehörte es wohl zum guten Ton Artikel, Beiträge und vor allem die Taten und Untaten von Politikern mit Lauten abzustrafen. Beliebt waren dabei das kehlige "Mh", das abschätzende "Poah" und das wortgewaltige "Tja!". Derbe wurde es dann tatsächlich nur bei den Fußballergebnissen und bei den scheinbar wöchentlichen Fehlentscheidungen der NRW-Politiker und den Entscheidern der Stadt Ratingen. Diese wurden ruhig und sachlich als "Aschlöcher" bezeichnet. Bei den Politikern war meist klar, dass es um die jeweiligen Menschen ging. Bei den Fußballergebnissen vermutlich um die Spieler der favorisierten Mannschaft. Diese "Aschlöcher" hatten sich Großvaters Meinung nach dann meist nicht genug angestrengt. Zu beachten sind hier zwei Dinge. Erstens: Der Großvater hatte die Spiele nie gesehen. Zweitens: Nein, es ist kein Schreibfehler. Der Großvater hat das "r" nie ausgesprochen.


Was hat das nun mit unserem Sohn zu tun? Seine Lektüre weißt erstaunliche Parallelen zu seinem Ur-Großvater auf. Die Seiten der Bücher und Hefte werden sauber und aufmerksam studiert. Bücher werden ordentlich und sehr bewusst auf Seite gelegt und später wieder aufgenommen. Seiten werden mit spitzen Fingern umgeblättert und die Durchsicht beginnt erst, wenn das Buch sauber aufliegt. Die unglaublichen Fähigkeiten, mit einer regulären Tageszeit einen riesigen Marmor Esstisch komplett zu bedecken und dabei Butter, Erdbeermarmelade und Käse unerreichbar zu machen, kopiert der Ur-Enkel mit Bravour. 2 Quadratmeter Matratze sind gefühlt bedeckt von offenen Büchern und Unkaputtbarheften. (Und ja, hier weisen die Erzählungen meines Manns Widersprüche auf! Zum einen waren die Zeitungsseiten immer glatt, gleichzeitig liegt die Zeitung auf den Frühstücksutensielen auf ... naja. Ein wenig Verklärung darf ob der Zuneigung zum Großvater wohl drin sein.)


Neben dem Gehabe erinnert auch Konrads Art und Weise Dinge zu kommentieren stark an den Ur-Opa Ernst. So hieß der gute Mann. Ernst Bittner. Dessen Ur-Enkel sitzt nämlich ebenfalls mit ernster Miene und aufmerksamen Blick vor seinen "Zeitungen" und es kommen die erstaunlichsten Laute aus seinem Mund. Generationsbedingt wird weniger geflucht, aber einige Themen scheinen den kleinen Ur-Enkel doch aufzuregen. Hörbar! "Booaah". "Nenene". "Prch!" Dabei kann es auch sein, dass die elegante Zurückhaltung und das fast aristokratische Gehabe des Kleinen in wildes Gepöbel umschwenkt und die Buchseiten sich durch plötzliche und stark dynamische Belastungen durchbiegen. Hier wird wohl in Zukunft die elterliche Erziehung eingreifen müssen. Natürlich wird nicht nur gemäkelt und gezetert. In der Regel ist Konrad ruhig und häufig platzt ein kleines Lachen aus seinem kugeligen Babybauch. Scheinbar hat er Abonnements auf mehrere Satiremagazine. Diese Momente des Lachens und Kichern sind so unverhofft, dass wir in unserem Tun innehalten und entweder den Kleinen oder uns gegenseitig anschauen und ein verzücktes Lächeln über unsere Gesichter huscht. Ein Lächeln vermischt mit Elementen von Wehmut und Traurigkeit. Auch diese Momente werden vorbeigehen. Damit diese nicht in Vergessenheit geraten schreibe ich diese auf und teile sie mit der Welt. Mit Sicherheit sind wir nicht allein.


 
 
 

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